Lutz Kornwebel ist seit 20 Jahren beim Fußallverein RSV Urbach 1912 e. V. in den verschiedensten Positionen tätig. Zur Zeit besetzt er die Position des Geschäftsführers und muss, wie viele andere auch, mit einer großen Herausforderung umgehen: Wie lässt sich ein Vereinsleben mit Kontaktbeschränkungen organisieren und aufrechterhalten?

Im Gespräch schildert er mir die Herausforderungen, die in ähnlicher Form auch viele andere Porzer und Poller (Sport-) Vereine betreffen – und die einige andere Probleme noch verstärken. Es ist deutlich zu spüren, wie groß die Bedeutung des Ehrenamts ist und warum es gestärkt werden muss.

Wie hat sich Corona auf den RSV Urbach ausgewirkt?

Die Krise hat uns alle kalt erwischt. Wir wussten zunächst nicht damit umzugehen. Dann kamen die Hygiene-Konzepte, alles etwas überstürzt. Wir mussten den gesamten Spiel- und Trainingsbetrieb stoppen. Bei fünfhundert Mitgliedern muss man sich langsam herantasten, bis man ein vernünftiges Konzept hat.

Was war das größte Problem?

Die schnellen und kurzfristigen Änderungen der Lage. Praktisch mussten wir uns alle zwei bis vier Wochen zusammensetzen und schauen, was man darf oder auch nicht. Im Ehrenamt fehlen ohnehin schon die Leute, die man jetzt noch mehr braucht, um die Hygiene-Regeln einzuhalten. Wir wurden in unserer eigentlichen Arbeit und unseren Aufgaben total zurückgeworfen.

„Im Ehrenamt fehlen ohnehin schon die Leute“

Gab es da überhaupt noch Raum für anderes?

Wir haben uns eigentlich nur noch mit Corona beschäftigt. Das hat uns sehr viel Geld und Nerven gekostet. Mit vier, fünf Mann haben wir eine Lösung erarbeitet, um den Trainingsbetrieb wieder aufzunehmen. Unterschiedliche Uhrzeiten, zu denen die Mannschaften da sind, ausreichendes Desinfizieren, immer nur eine Person auf Toilette. Das war mit viel Personenaufwand verbunden.

Wie haben eure Mitglieder die Situation angenommen?

Größtenteils gut. Nur wenige haben ihren Vereinsbeitrag nicht mehr bezahlt, weil sie ohne Trainingsbetrieb keine Gegenleistung bekommen. Diese ausgefallenen Zahlungen möchten wir gerne über den Notfalltopf des Stadtsportbundes zurückholen. Denn wir haben unsere Trainer weiterhin bezahlt. Aber egal ob Spieler oder Trainer – wegen Corona hat niemand aufgehört.

„Durch Corona sollten alle sozialen Kontakte ja fast eingefroren werden. Aber ein Verein lebt von sozialen Kontakten.“

Das spricht ja für einen guten Zusammenhalt im Verein.

Ja, stimmt. Durch Corona sollten alle sozialen Kontakte ja fast eingefroren werden. Aber ein Verein lebt von sozialen Kontakten. Das bedeutet natürlich Schwierigkeiten für das Vereinsleben.

Die Saison wurde abgebrochen?

Ja. Die Jugendmannschaften, die in der Tabelle jeweils an erster Stelle standen, sind aufgestiegen. Aber die Mannschaften an letzter Stelle sind nicht abgestiegen. Darauf hat man sich geeinigt, es gab eine Abstimmung beim Fußball-Verband Mittelrhein über Videokonferenz. Da konnten wir auf jeden Fall mitreden. Die Vereine wurden eingebunden, man hat sich bei uns ein Votum abgeholt und die Delegierten haben auch dem entspreched abgestimmt.

„Heute findest du keinen mehr, der das einfach so für Luft und Liebe macht.“

Welche Missstände sind für euch allgemein durch die Krise deutlich geworden?

Vor allem, dass es im Ehrenamt zu wenig Personal gibt. Die Leute waren total überlastet. Die wenigen, die sich engagieren, haben auch ohne Corona zu viele Aufgaben. Unser Problem ist, dass wir kaum neue Ehrenamtler hinzu gewinnen. Wir haben in der Jugend 35 Trainer und Co-Trainer in 16 Mannschaften, also ungefähr zwei Betreuer für jede Mannschaft. Heute findest du keinen mehr, der das einfach so für Luft und Liebe macht.

Was macht es denn so schwer, neue Ehrenamtler als Trainer zu finden?

Es wird nicht bezahlt. Die Trainer erhalten nur ein bisschen Fahrgeld, rund 50 Euro im Monat. Es wäre leichter, wenn man im Verein für diese Personen einen finanziellen Ausgleich schaffen könnte. An den Trainern bleibt viel hängen. Ein Beispiel: Bei den Kleinen fahren die Eltern noch mit zu den Spielern, bei den Älteren nicht mehr. Auch weil es da ruppiger zugeht. Dadurch hat der Trainer das Problem, die Kinder überhaupt zu den Auswärtsspielen zu bekommen. Die Schiedsrichter bekommen für ihren Einsatz noch am meisten, die müssen sich aber auch auf dem Platz und daneben am meisten anhören.

„Bei den Kleinen fahren die Eltern noch mit zu den Spielern, bei den Älteren nicht mehr.“

Woher rekrutieren sich die Trainer?

Das sind meistens Väter von aktiven Kindern im Verein. Wir bieten den Vätern an, den Trainerschein zu machen. Den entsprechenden Lehrgang können sie hier bei uns im Vereinsheim absolvieren. Bezahlt wird der vom Sportamt. Der Zeitaufwand ist groß, aber manche bleiben dran.

Das ist schon ein höherer Aufwand.

Das geht nicht alles aus den Mitgliedsbeiträgen. Und auch den können ja viele schon nicht aufbringen. Auch da wird viel auf den Verein geschoben. Eltern, die Hartz IV bekommen, können einen Antrag stellen. Das ist erstmal gut, aber für uns komplizierter: Von der Stadt kommt dann irgendwann das Geld und du weißt gar nicht, zu wem der Beitrag gehört.

Wie finden die Kinder und Jugendlichen den Weg zu euch?

Wir haben eine Kooperation mit der Grundschule, mit der Kita direkt neben dem Fußballplatz und mit der Kopernikus-Schule. Da die Porzer mit bei uns auf der Platzanlage sind, überschneidet sich das Einzugsgebiet. Bei der Wahl des Vereins entscheiden die Kinder danach, wo ihre Freunde spielen. Die Eltern schauen eher, wo die qualifizierten Trainer sind und auch, wie sauber und gut ausgestattet die Anlage ist. Wenn Jugend-Heimspieltag ist, dann werden wir häufig um unser schönes Vereinsheim beneidet.

Wie ist das Verhältnis der Vereine untereinander, gerade in der direkten Nachbarschaft zur SpVg Porz?

Es macht uns ein bisschen erpressbar. Wenn die Eltern Druck aufbauen, zum Beispiel, weil das Kind nicht aufgestellt war, sagen sie häufig im Ärger: Dann gehen wir halt nach Porz. Und von da gehen sie anschließend nach Grengel. Und dann hören sie auf – oder kommen zurück. Das Problem ist bei gemeinsamen Platzanlagen manchmal noch größer. Aber im Allgemeinen ist unser Verhältnis sehr gut.

Die Platzanlagen sollen saniert werden, aber es geht nicht voran.

Das Riesenproblem ist die Anlage an der Humboldtstraße. Durch die Corona-bedingten Abstandsregeln wäre es wesentlich leichter, wenn die beiden Plätze dort schon fertig wären. In meinen Augen ist Henk van Benthem mit Schuld. Denn dort sollte schon gebaut werden – und dann hat er noch einmal einen runden Tisch einberufen. Die Bagger standen schon in den Startlöchern, aber dann dauerte es immer länger.

„In meinen Augen ist Henk van Benthem mit Schuld.“

Wir haben mit Engelszungen auf ihn eingeredet. Das hätte alles schon fertig sein können. Da blutet mir das Herz. Mir tun auch die ganzen Kinder leid, die sich bei uns anmelden wollten, die wir aber aus Platzmangel nicht aufnehmen konnten. Die beiden Plätze werden dringend benötigt und ich hoffe, dass es nun endlich los geht. Die Mittel sind ja nicht endlos verfügbar.

Wie ist aktuell die Situation?

Zunächst müssen wir am Spielfeld den Abstand einhalten. Auch hier wird sehr viel auf den Verein geschoben. Das gesamte Corona-Konzept ist heruntergebrochen auf den Trainer, der am Spielfeld für die Einhaltung der Regeln sorgen muss. Wir dürfen nicht mehr alle Spieler zum Auswärtsspiel mitnehmen – nur die ersten 11 und die Auswechselspieler. Am Spielfeldrand dürfen maximal 160 Personen dabei sein. Wir müssen eine Liste führen, wer als Zuschauer mit dabei ist. Der Platz muss teilweise abgesperrt werden. Das wird eine wirkliche Herausforderung.

Was erwartest du von der nahen Zukunft?

Es ist immer noch eine angespannte Situation. Die Zahlen gehen wieder nach oben. Die Leute scheinen aggressiver zu werden. Für uns müssen wir einfach schauen, was passiert. Wir sollten darauf aufmerksam machen, dass manche Vereine noch an ihrem Konzept feilen müssen. Aber nicht direkt die Vereine wieder dicht machen, das fände ich überzogen.

Vielen Dank für das Gespräch!