Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik, sagen die einen. Die Politik interessiert sich nicht für die jungen Menschen und ihre Anliegen, sagen die anderen. Tatsache ist, dass Politik mehrheitlich eine Veranstaltung älterer Semester ist. Das gilt in den Parteien und Parlamenten – leider aber auch im weiteren Kreis der politischen Einflussnahme wie bei Bürgerbeteiligungen.

Ich bin mit 32 Jahren einer der wenigen jungen Kommunalpolitiker in Köln. In Porz bin ich sogar das jüngste Mitglied der Bezirksvertretung. Das ist schön und gut für mich – aber insgesamt ist es ein schlechtes Zeichen. Denn es bedeutet, dass relativ wenige junge Menschen Politik in Mandaten gestalten und daher der junge Teil der Gesellschaft wesentlich geringer repräsentiert ist als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechen würde.

Gremien, bewegt euch!

In den Zuschauerraum der Bezirksvertretung Porz verirren sich nur selten junge Menschen. Ich finde, ein politisches Gremium sollte immer auch die eigene Arbeit reflektieren: Könnte das mangelnde Interesse auch etwas mit uns zu tun haben? Können wir Mittel und Wege finden, um etwas zu ändern?

Als SPD-Fraktion haben wir deshalb vor einiger Zeit vorgeschlagen, die Sitzungen der Bezirksvertretung für junge Menschen zu öffnen. Wir wollen sie zu uns holen, ihnen ein Stück der Politik zeigen und gleichzeitig ihre Meinung hören. Im besten Fall kann daraus eine feste Institution entstehen, über die junge Menschen sich einbringen können – ähnlich der Seniorenvertretung, die es bereits gibt.

Mit jungen Menschen sprechen statt über sie

Unsere Idee: eine Jugend-Bezirksvertretungssitzung. Es soll eine reguläre Sitzung stattfinden, allerdings mit begrenzter Sitzungsdauer und zu einer Uhrzeit, die es Klassen und Kursen erlaubt, dort im Rahmen einer Exkursion teilzunehmen. Wenn alle Schulen in Porz dieses Angebot an einem Termin im Jahr wahrnehmen, könnten dort einige Dutzend bis Hundert Schülerinnen und Schüler teilnehmen. In einer anderen Kölner Bezirksvertretung klappt das bereits.

Wir wollen aber noch darüber hinausgehen, damit die Gäste nicht nur passiv betrachten, sondern auch sich selbst einbringen können. Das geht im Rahmen der bisherigen Geschäftsordnung über sogenannte „Bürgeranträge“. Jeder Bürger hat dort Antrags- und Rederecht – natürlich auch Schülerinnen und Schüler. Im Idealfall könnten diese dort ein Anliegen einbringen, das sie vorher im Unterricht vorbereitet haben, zum Beispiel in Politik oder Sozialwissenschaften, während sie das politische System der Bundesrepublik Deutschland besprechen.

Die Barriere überwinden

So gestalten sie die Sitzung der Bezirksvertretung mit – und zwar eine echte Sitzung, kein Modellparlament. Sie stellen ihre Anträge selbst vor, diese werden dann in der Bezirksvertretung ganz normal diskutiert und abgestimmt. Die weiteren Anträge und Vorlagen in der Sitzung könnten sich dann ebenfalls mit jugendrelevanten Themen beschäftigen.

Nach Ende der Sitzung gäbe es eine offene Runde, in der Kommunalpolitiker und Schüler die Barrieren überwinden und direkt ins Gespräch kommen können.

Soweit unser Vorschlag – die politischen Mitbewerber konnten sich dem bisher leider nicht anschließen. Wir bleiben dran. Aber egal, wie es ausgeht: Ich glaube, dass politische Gremien in der Pflicht sind, sowohl sich für alle Gruppen der Gesellschaft zu öffnen, als auch den Bildungsauftrag anzunehmen und junge Menschen systematisch an die Politik heranzuführen. Im besten Fall führt das zu frischem Wind und neuen Ideen. Die können wir alle gut brauchen.

Wie junge Menschen sich schon heute einbringen können

Politische Einflussnahme beginnt aber schon damit, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Das geht oft auch ohne Mandat. Und da müssen sich junge Menschen vorwerfen lassen, dass sie zu wenig tun, gerade in den klassischen Formaten. Ich nehme regelmäßig an Bürgerbeteiligungen, -sprechstunden oder -vereinen zu Teil. Diese Formate mögen altbacken klingen, tatsächlich sind sie aber gerade wegen der meist überschaubaren Zahl der Teilnehmer eine gute Möglichkeit, die eigene Meinung zu sagen.

Trotzdem ist es dort fast immer das gleiche Bild: Kaum junge Menschen vor Ort, eine deutliche Mehrheit der Anwesenden trägt das Haar in grau und weiß. Sogar bei den großen Beteiligungsaktionen zur Weiterentwicklung von Porz-Mitte in diesem Frühjahr konnte man die Teilnehmer unter 30 fast an einer Hand abzählen. Dabei sind es sie doch, die mit den Ergebnissen am längsten leben müssen! Die Erwachsenen diskutieren die Zukunft, die die Jungen haben werden.

Vielleicht, könnte man dem entgegenhalten, gehen die Themen, die die Teilnehmer dort diskutieren, ja an der Lebensrealität junger Menschen vorbei. Ja, natürlich tun sie das! Sie müssen es ja zwangsläufig: Wenn niemand da ist, der die Lebenswelt der jungen Generation kennt, kann sie auch keiner vertreten. Wie kann man erwarten, dass das jemand anders für einen selbst macht? Es ändert sich nur, wenn man es selbst macht.

Einfluss zu nehmen ist eigentlich nicht so schwer

Wenn man sich aber einmal aufgerafft hat, dann sind die Hürden gar nicht so hoch. Im Gegenteil: Viele Politiker sind online vertreten und wenn man sie halbwegs höflich anschreibt, dann reagieren sie auch. Gerade bei „kleineren“, lokalen Anliegen. Auch bei Bürgerbeteiligungen kann jeder die eigene Idee, Anregung oder Frage meist recht einfach einbringen. Auf der anderen Seite haben aber auch Verwaltung und Politik noch oft genug deutlichen Nachholbedarf, wenn es darum geht, die neuen Möglichkeiten der Kommunikation etwa in Sozialen Netzwerken zu nutzen.

Der Schritt in ein Mandat kann dagegen tatsächlich schwierig sein. Ein Teil des Problems sind die hohen Anforderungen an die Mobilität junger Menschen. Die politische Karriere – im Sinne von: der Weg zu einem Mandat – startet heute fast immer noch im Ortsverein und über die Kommunalpolitik. Gleichzeitig sollen und müssen junge Menschen heute so mobil sein wie noch nie zuvor. Ständiges Umziehen ist heute Normalität und wird erwartet: Abitur in der Heimatstadt, zum Bachelor in eine andere Stadtziehen, zum Master nochmal, dazwischen am besten noch ins Ausland und dann für den ersten Job wieder in ein neues Umfeld.

Politisches Engagement ist meist an den Wohnort gebunden

Das ist ein Problem, denn eigentlich kann man Kommunalpolitik nur dann glaubwürdig betreiben, wenn man ein echtes Interesse an einem Ort hat. Das kann aber nur entstehen, wenn man weiß, dass man an seinem Wohnort für eine gewisse Zeit bleiben wird. Ich selbst habe während des Studiums in Bonn gewohnt – und mich trotzdem in Poll engagiert. Auch wenn ich die schöne Bonner Südstadt sehr mochte: Ich wusste, dass ich nur vorübergehend dort sein würde. Junge Menschen, die nur für kurze Zeit oder erst seit kurzem an einem Ort wohnen, haben deshalb einen systematischen Nachteil. Das ist schlecht für sie persönlich, aber auch für uns alle, denn damit gehen sie unserer Demokratie als Nachwuchs verloren – das ist für uns als Gesellschaft ein großes Problem. Hier sind die Parteien gefordert, eine Lösung zu finden.